Offener Brief
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Die Gentechnik ist seit ihren Anfängen in den 1970er Jahren zu dem wohl wichtigsten Werkzeug der biologisch-medizinischen Forschung geworden und hat zu einem enormen Erkenntniszuwachs mit vielfältigen Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft geführt.“ Darauf haben die Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften acatech und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (für die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften) anlässlich der Koalitions- und Regierungsbildung im Jahre 2009 in ihrem eindringlichen Plädoyer „Für eine neue Politik in der Grünen Gentechnik“ hingewiesen. Weiter heißt es: „Demokratische Politik kann die Meinung der Wähler nicht ignorieren. Sie ist aber auch dafür mitverantwortlich, dass die Wähler Fakten zur Kenntnis nehmen. Sie hat eine Aufklärungsaufgabe.“
Bei dieser Aufklärungsaufgabe sind die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in den zurückliegenden Jahren ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden. Welche Regierung hat die Bevölkerung darüber informiert, dass in Deutschland
- etwa 80% aller Lebensmittel einschließlich einer Reihe von fälschlicherweise als „gentechnikfrei“ gekennzeichneter Bio-Lebensmittel
sowie über 140 Medikamente mit der Gentechnik in Berührung kommen, bevor sie (ohne zutreffende Kennzeichnung) an die
Verbraucherinnen und Verbraucher verkauft werden?
- jährlich viele Millionen Tonnen gentechnisch verbesserter Lebens- und Futtermittel importiert und verarbeitet werden, während es
den Landwirten bei uns verboten ist, eben diese Lebens- und Futtermittel selber herzustellen?
- die wissenschaftliche Forschung in Form von Freisetzungsversuchen zum Erliegen gekommen ist, während weltweit allein
im Jahre 2012 mehr als 1000 Freisetzungsversuche mit gentechnisch verbesserten Pflanzen durchgeführt wurden?
- wesentlich mehr landwirtschaftliche Produkte verbraucht als hergestellt werden, so dass wir erheblich dazu beitragen, dass
Urwälder gerodet und Klimaveränderungen beschleunigt werden?
Statt die Bevölkerung zu informieren, wurde die Grüne Gentechnik ignoriert, schlecht geredet und oft sogar massiv behindert mit der Folge, dass Wissenschaftler und Firmen abgewandert sind. Dabei befürwortet die junge Generation inzwischen aus guten Gründen mehrheitlich die Gentechnik, wie eine dimap-Umfrage kürzlich gezeigt hat. Es ist also allerhöchste Zeit, dass die jetzt zu bildende Bundesregierung der Verantwortung Deutschlands im Bereich der Biotechnologie gerecht wird.
Dies bedeutet:
- grünes Licht für den unverzichtbaren Beitrag der biotechnologischen Wissenschaft zur Lösung der Menschheits-
probleme des 21. Jahrhunderts statt Blockade
- Selbstbestimmung der Landwirte bei der Auswahl des Saatguts statt Anbauverboten.
Das Greenpeace-Gründungsmitglied Patrick Moore, früher ein entschiedener Gegner der Grünen Gentechnik, hat sich jetzt an die Spitze der Aktion „Allow Golden Rice Now“ gestellt. Er kämpft - wie andere frühere Greenpeace-Aktivisten auch – dafür, dass endlich Millionen von Kindern in Asien und Afrika mit dem von deutschen Wissenschaftlern gentechnisch verbesserten „Goldenen Reis“ Erblindung und Tod erspart bleiben. Denn täglich sterben vor allem in Asien über 6.000 Kinder an den Folgen des Vitamin-A-Mangels, der durch eine Ernährung mit dem Goldenen Reis behoben werden könnte. Auch der Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in Rom, der Nobelpreisträger Prof. Dr. Werner Arber, hat mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Nutzung der Grünen Gentechnik im Rahmen des Evolutionsprozesses unserer Erde nicht nur höchst sinnvoll, sondern nachgerade ethisch geboten ist, um zur Lösung der Menschheitsprobleme unserer Zeit beizutragen.
Die zukünftige Regierungskoalition der Bundesrepublik Deutschland sollte sich diesem Appell nicht verschließen! Wer mit seiner Politik den Tod von täglich über 6.000 Kindern in Kauf nimmt, obwohl er ideell und materiell dazu beitragen könnte, das Leben der Kinder zu retten, handelt weder christlich noch sozial!
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Horst Rehberger
Minister a.D.
Vorsitzender